Quelle: E&M
AUS DER ZEITUNG:
„Die beste Versicherung ist exzellente Arbeit“
Herbert Pohl, CEO der Deutschen Erdwärme, hält das neue Geothermie-Gesetz für wichtig, sieht aber ohne klare Rahmenbedingungen und privates Kapital keine Chance für eine Skalierung.
Die Bundesregierung hat die Tiefengeothermie als wichtigen Bestandteil der Wärmewende benannt und das Geothermie-Beschleunigungsgesetz
beschlossen. „Das ist sicherlich ein Fortschritt. Und es ist auch ein sehr gutes Zeichen, dass sich sowohl die alte als auch
die neue Bundesregierung mit dem Thema Geothermie beschäftigten und sie als mögliche Quelle und Faktor in der Wärmewende anerkannt
haben“, sagt Herbert Pohl, CEO der Deutschen Erdwärme, im Gespräch mit E&M.
Doch das Gesetz allein werde keine „Welle an Projekten“ auslösen. „Es ist ein Mosaikstein, mehr nicht.“ Strukturelle Hemmnisse verhinderten weiter eine Skalierung. Eine Hochskalierung sei nur möglich, wenn die Finanzierung gesichert ist. Pohl setzt dabei nicht auf mehr Fördermittel, sondern auf privates Kapital. Investoren würden aber von Unsicherheiten abgeschreckt: unsichere Förderinstrumente, ein unübersichtlicher Rechtsrahmen und fehlende industrielle Infrastruktur, die teuer im Ausland beschafft werden muss.

Die Bundesregierung hält zugleich am Ziel von 10 TWh bis 2030 fest. Pohl bewertet dieses Ziel als unrealistisch, wenn es um die tatsächliche Einspeisung in diesem Zeitraum geht. „Ein Projekt dauert sechs bis sieben Jahre. Die Projekte, die 2030 liefern müssten, müssten heute schon im Bau sein. Das ist nicht der Fall.“ Als realistisch gilt für ihn ein Projektportfolio, das bis 2030 die Grundlage für 10 TWh schaffen könnte. Dafür brauche es eine Verdopplung der Aktivitäten in den kommenden Jahren.
Nur so könne die Geothermie in der Wärmewende eine relevante Rolle spielen. Das Potenzial ist bei der Tiefengeothermie hierzulande längst nicht ausgeschöpft. Allein mit der Nutzung von natürlichen Thermalwasservorkommen mithilfe der Tiefen Geothermie kann perspektivisch rund ein Viertel des Wärme- und Kältebedarfs in Deutschland gedeckt werden.
Fündigkeitsrisiko bleibt Kernproblem
Mit der Übernahme einer Fündigkeitsversicherung durch KfW und Munich Re sei ebenfalls ein wichtiges Instrument geschaffen worden. Doch der Chef der Deutschen Erdwärme warnt vor überzogenen Erwartungen. „Versichert werden Worst-Case-Szenarien. Das Risiko selbst wird nicht beseitigt.“ Die eigentliche Absicherung liege in exakter Exploration. Die Deutsche Erdwärme setzt deshalb auf eigene Geologen und Bohringenieure. „Die beste Fündigkeitsversicherung ist saubere Arbeit mit modernsten Methoden“, so Pohl. Versicherungen könnten lediglich flankieren.
Kommunen und Versorger ohne Erfahrung rät Pohl, solche Projekte nicht allein umzusetzen. Pohl: „Stadtwerke sollten mit Partnern zusammenarbeiten, die über die notwendige Expertise verfügen. Ein Geothermieprojekt lässt sich nicht mit zwei Projektmanagern umsetzen, denen man die Aufgabe einfach überträgt. Wir beschäftigen unsere Fachleute nicht aus Interesse an Spezialfragen, sondern weil diese Kompetenz zwingend erforderlich ist.“
Solche Projektentwickler wie sein Unternehmen brächten die nötige Erfahrung mit, nicht nur bei der technischen Umsetzung, sondern auch bei der größten Herausforderung eines Geothermieprojekts: beim Prozessmanagement. Es seien Firmen miteinander abzustimmen sowie viele Behörden, wo wiederum Menschen arbeiten, die alle einen unterschiedlichen Wissensstand hätten. Und auch die betroffene Bevölkerung müsse frühzeitig informiert werden. Hier gelte es, Informationen bereitzustellen, Vorkonferenzen abzuhalten, damit letztendlich alle Stakeholder mit abgeholt werden.
Fehlende Industrie und Kapital
Ein weiteres Hindernis ist nach Einschätzung von Pohl die ausgedünnte Dienstleistungslandschaft. Mit dem Rückzug der Öl- und Gasindustrie sei auch die Bohr- und Servicetechnik ins Ausland abgewandert. „Heute kaufen wir Leistungen in Norwegen oder Rumänien ein. Das verteuert die Projekte erheblich.“ Pohl fordert den Wiederaufbau einer geothermischen Industriestruktur in Deutschland.
Auch beim Kapital sieht er Defizite. Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) seien unsicher, da sie dem Haushaltsvorbehalt unterliegen. „Im Gegensatz zum EEG gibt es keinen gesetzlichen Anspruch. Das schreckt Investoren ab.“ Verlässliche Rahmenbedingungen seien deshalb entscheidender als zusätzliche Förderprogramme. Bei Planungssicherheit finden sich auch Investoren, zeigt sich Herbert Pohl überzeugt. Und führt dabei sein Unternehmen als Beispiel an. Seit 2018 ist die skandinavische Fondsgesellschaft Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) Hauptgesellschafter des deutschen Projektentwicklers Deutsche Erdwärme. „Wir bringen bei Projekten das nötige Kapital mit“, so Pohl.
Um geeignete Standorte zu identifizieren, nutzt die Deutsche Erdwärme einen selbst entwickelten Erdwärmenavigator. „Wir haben ein Tool entwickelt, das Deutschland in 663 Hexagone unterteilt. So können wir das geothermische Potenzial erfassen und mit vorhandenen Wärmenetzen sowie industriellem Wärmebedarf verknüpfen“, erklärt der CEO.
Dieses Instrument sei jedoch nur eine erste Indikation. „Entscheidend ist die konkrete Prüfung vor Ort mit seismischen Messungen und Bohrdaten.“ Denn letztendlich müssen sich die Projekte vor Ort als wirtschaftlich erweisen. Um dies zu erreichen, baut die Deutsche Erdwärme derzeit vorwiegend Anlagen, die sich an ein bereits bestehendes Wärmenetz anschließen lassen.
Die Deutsche Erdwärme entwickelt aktuell rund ein Dutzend Projekte in mehreren Bundesländern. Öffentlich bekannt sind beispielsweise Vorhaben in Graben-Neudorf, Berlin-Schönefeld und die Kooperation mit Eon in Nordrhein-Westfalen. Pohl verweist auf regionale Unterschiede beim Potenzial: „In Brandenburg kann ein Projekt mit 20 bis 30 GWh ein Wärmenetz vollständig dekarbonisieren. Relevanz muss lokal gedacht werden.“
Hier sieht der CEO ein weiteres Problem, das gelöst werden muss. Für geothermische Grundlastanlagen ist eine hohe Auslastung ab Inbetriebnahme erforderlich. Viele Städte verfügen jedoch nur über kleinteilige und unzureichend ausgebaute Wärmenetze. „Wir brauchen regional den Gleichklang von Wärmenetzausbau und Geothermieprojekten“, betont Pohl. Übergangslösungen für die ersten Betriebsjahre könnten helfen, bis Wärmenetze die volle Kapazität aufnehmen. „Es müssen Übergangslösungen gefunden werden, die man auch später wieder zurückzahlen kann. Es geht ja nur darum, dieses Cashflow-Profil auszugleichen.“
Ein weiteres Hemmnis sind unterschiedliche Genehmigungsstandards der Länder. „Das Bundesberggesetz wird je nach Behörde verschieden ausgelegt. Unterschiedliche Verfahrensdauern und Anforderungen bremsen Projekte zusätzlich.“ Einheitlichere Regeln seien notwendig, um Skaleneffekte zu ermöglichen.
Sein Appell an die Politik: Damit viel mehr Projekte wirtschaftlich tragfähig werden in der Tiefen Geothermie, brauche es verlässliche politische Signale und eine stabile Investitionsumgebung. „Geothermie kann Wärmenetze systematisch dekarbonisieren. Aber ohne klare Rahmenbedingungen werden wir die notwendige Skalierung nicht erreichen.“
Doch das Gesetz allein werde keine „Welle an Projekten“ auslösen. „Es ist ein Mosaikstein, mehr nicht.“ Strukturelle Hemmnisse verhinderten weiter eine Skalierung. Eine Hochskalierung sei nur möglich, wenn die Finanzierung gesichert ist. Pohl setzt dabei nicht auf mehr Fördermittel, sondern auf privates Kapital. Investoren würden aber von Unsicherheiten abgeschreckt: unsichere Förderinstrumente, ein unübersichtlicher Rechtsrahmen und fehlende industrielle Infrastruktur, die teuer im Ausland beschafft werden muss.

Herbert Pohl, Gründer und CEO von Deutsche Erdwärme
Quelle: Deutsche ErdWärme
Quelle: Deutsche ErdWärme
Die Bundesregierung hält zugleich am Ziel von 10 TWh bis 2030 fest. Pohl bewertet dieses Ziel als unrealistisch, wenn es um die tatsächliche Einspeisung in diesem Zeitraum geht. „Ein Projekt dauert sechs bis sieben Jahre. Die Projekte, die 2030 liefern müssten, müssten heute schon im Bau sein. Das ist nicht der Fall.“ Als realistisch gilt für ihn ein Projektportfolio, das bis 2030 die Grundlage für 10 TWh schaffen könnte. Dafür brauche es eine Verdopplung der Aktivitäten in den kommenden Jahren.
Nur so könne die Geothermie in der Wärmewende eine relevante Rolle spielen. Das Potenzial ist bei der Tiefengeothermie hierzulande längst nicht ausgeschöpft. Allein mit der Nutzung von natürlichen Thermalwasservorkommen mithilfe der Tiefen Geothermie kann perspektivisch rund ein Viertel des Wärme- und Kältebedarfs in Deutschland gedeckt werden.
Fündigkeitsrisiko bleibt Kernproblem
Mit der Übernahme einer Fündigkeitsversicherung durch KfW und Munich Re sei ebenfalls ein wichtiges Instrument geschaffen worden. Doch der Chef der Deutschen Erdwärme warnt vor überzogenen Erwartungen. „Versichert werden Worst-Case-Szenarien. Das Risiko selbst wird nicht beseitigt.“ Die eigentliche Absicherung liege in exakter Exploration. Die Deutsche Erdwärme setzt deshalb auf eigene Geologen und Bohringenieure. „Die beste Fündigkeitsversicherung ist saubere Arbeit mit modernsten Methoden“, so Pohl. Versicherungen könnten lediglich flankieren.
Kommunen und Versorger ohne Erfahrung rät Pohl, solche Projekte nicht allein umzusetzen. Pohl: „Stadtwerke sollten mit Partnern zusammenarbeiten, die über die notwendige Expertise verfügen. Ein Geothermieprojekt lässt sich nicht mit zwei Projektmanagern umsetzen, denen man die Aufgabe einfach überträgt. Wir beschäftigen unsere Fachleute nicht aus Interesse an Spezialfragen, sondern weil diese Kompetenz zwingend erforderlich ist.“
Solche Projektentwickler wie sein Unternehmen brächten die nötige Erfahrung mit, nicht nur bei der technischen Umsetzung, sondern auch bei der größten Herausforderung eines Geothermieprojekts: beim Prozessmanagement. Es seien Firmen miteinander abzustimmen sowie viele Behörden, wo wiederum Menschen arbeiten, die alle einen unterschiedlichen Wissensstand hätten. Und auch die betroffene Bevölkerung müsse frühzeitig informiert werden. Hier gelte es, Informationen bereitzustellen, Vorkonferenzen abzuhalten, damit letztendlich alle Stakeholder mit abgeholt werden.
Fehlende Industrie und Kapital
Ein weiteres Hindernis ist nach Einschätzung von Pohl die ausgedünnte Dienstleistungslandschaft. Mit dem Rückzug der Öl- und Gasindustrie sei auch die Bohr- und Servicetechnik ins Ausland abgewandert. „Heute kaufen wir Leistungen in Norwegen oder Rumänien ein. Das verteuert die Projekte erheblich.“ Pohl fordert den Wiederaufbau einer geothermischen Industriestruktur in Deutschland.
Auch beim Kapital sieht er Defizite. Förderprogramme wie die Bundesförderung für effiziente Wärmenetze (BEW) seien unsicher, da sie dem Haushaltsvorbehalt unterliegen. „Im Gegensatz zum EEG gibt es keinen gesetzlichen Anspruch. Das schreckt Investoren ab.“ Verlässliche Rahmenbedingungen seien deshalb entscheidender als zusätzliche Förderprogramme. Bei Planungssicherheit finden sich auch Investoren, zeigt sich Herbert Pohl überzeugt. Und führt dabei sein Unternehmen als Beispiel an. Seit 2018 ist die skandinavische Fondsgesellschaft Copenhagen Infrastructure Partners (CIP) Hauptgesellschafter des deutschen Projektentwicklers Deutsche Erdwärme. „Wir bringen bei Projekten das nötige Kapital mit“, so Pohl.
Um geeignete Standorte zu identifizieren, nutzt die Deutsche Erdwärme einen selbst entwickelten Erdwärmenavigator. „Wir haben ein Tool entwickelt, das Deutschland in 663 Hexagone unterteilt. So können wir das geothermische Potenzial erfassen und mit vorhandenen Wärmenetzen sowie industriellem Wärmebedarf verknüpfen“, erklärt der CEO.
Dieses Instrument sei jedoch nur eine erste Indikation. „Entscheidend ist die konkrete Prüfung vor Ort mit seismischen Messungen und Bohrdaten.“ Denn letztendlich müssen sich die Projekte vor Ort als wirtschaftlich erweisen. Um dies zu erreichen, baut die Deutsche Erdwärme derzeit vorwiegend Anlagen, die sich an ein bereits bestehendes Wärmenetz anschließen lassen.
Die Deutsche Erdwärme entwickelt aktuell rund ein Dutzend Projekte in mehreren Bundesländern. Öffentlich bekannt sind beispielsweise Vorhaben in Graben-Neudorf, Berlin-Schönefeld und die Kooperation mit Eon in Nordrhein-Westfalen. Pohl verweist auf regionale Unterschiede beim Potenzial: „In Brandenburg kann ein Projekt mit 20 bis 30 GWh ein Wärmenetz vollständig dekarbonisieren. Relevanz muss lokal gedacht werden.“
Hier sieht der CEO ein weiteres Problem, das gelöst werden muss. Für geothermische Grundlastanlagen ist eine hohe Auslastung ab Inbetriebnahme erforderlich. Viele Städte verfügen jedoch nur über kleinteilige und unzureichend ausgebaute Wärmenetze. „Wir brauchen regional den Gleichklang von Wärmenetzausbau und Geothermieprojekten“, betont Pohl. Übergangslösungen für die ersten Betriebsjahre könnten helfen, bis Wärmenetze die volle Kapazität aufnehmen. „Es müssen Übergangslösungen gefunden werden, die man auch später wieder zurückzahlen kann. Es geht ja nur darum, dieses Cashflow-Profil auszugleichen.“
Ein weiteres Hemmnis sind unterschiedliche Genehmigungsstandards der Länder. „Das Bundesberggesetz wird je nach Behörde verschieden ausgelegt. Unterschiedliche Verfahrensdauern und Anforderungen bremsen Projekte zusätzlich.“ Einheitlichere Regeln seien notwendig, um Skaleneffekte zu ermöglichen.
Sein Appell an die Politik: Damit viel mehr Projekte wirtschaftlich tragfähig werden in der Tiefen Geothermie, brauche es verlässliche politische Signale und eine stabile Investitionsumgebung. „Geothermie kann Wärmenetze systematisch dekarbonisieren. Aber ohne klare Rahmenbedingungen werden wir die notwendige Skalierung nicht erreichen.“
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Mittwoch, 15.10.2025, 08:50 Uhr
Mittwoch, 15.10.2025, 08:50 Uhr
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